Baubeschreibung

Der stattliche Baukörper von Schloß Unterweikertshofen erhebt sich über längsrechteckigem Grundriß, dessen Seitenlägen in einem Proportionsverhältnis von 1 : 2 stehen. Der dreigeschossige Bau wird mit einem hohen Krüppelwalmdach mit Biberschwanzdeckung geschlossen. Die einzelnen Geschosse werden optisch durch umlaufende Putzfaschen voneinander getrennt.

In der Mittelachse der Längsseiten liegt je ein Eingangsportal, das über fünf Stufen zugänglich ist. Von den drei Fensterachsen links und rechts davon sind jeweils die zwei inneren zu einem Paar zusammengerückt, die dritte Achse liegt genau in der Mitte der verbleibenden Mauerscheibe. Die hochrechteckigen Kreuzstock-fenster sind mit Fensterflügeln unterschiedlicher Sprossenteilung versehen. Die Westansicht ist durch größere Fenster im ersten Obergeschoß betont. In der Mittelachse, über der Eingangstüre, liegt ein noch mal vergrößertes Fenster gleicher Proportion. In den Obergeschossen befinden sich an allen Fenstern Lamellenklapp-läden, die Fenster im Erdgeschoß sind vergittert. Die Eingangs-portale sitzen in Natursteingewänden, die über einem Kämpfer in einem Rundbogen fortfahren. Dieser enthält je ein vergittertes Fenster in Form eines Rechtecks, das seitlich durch einen Halbkreis erweitert ist. Der Haupteingang an der Westseite erhält eine zusätzliche Betonung, da er von Pilastervorlagen gerahmt wird. In Höhe der ersten Putzfasche tragen diese eine Kapitellausbildung, die sich zu einem gleich profilierten Gesims zwischen den Pilastern zurückkröpft. Türgewände an der Ostseite ist detaillierter ausgearbeitet, in den Sturz meißelt trägt es die Jahreszahl 1896. Die reich profilierte Holztüre hat ein neubarocken Charakter. Über dieser Türe ist über der Geschoßteilung eine steinerne Tafel eingelassen, deren Inschrift auf die Erbauung des Schlosses verweist:

1616
Dises Schloß hat vom Grundt Auferpauth der Wol Edle und Gestreng herr Hanns = Sebastian von und zu Adlzhausen und Weickhertshouen fürstl. durchl. Ertzherzog Leopoldi zu Össterreich Bischouen zu Straßburg und Passau Camerer und Rath auch Pfleger der fürstl. herrschaft Ebelsberg und Lechenprobst In Össterreich ob der Enß. Auch sein wol edle ehr und tugendreiche geliebte Gemahl Fr. Frau So = phia ein geborne von Bihring zu Sichharting Gott erhalts In Langwierigen Würden bei dem Adelichen Namen und Stammen.

Von den Schmalseiten des Gebäudes wird die Südansicht durch einen mittig liegenden, über annähernd quadratischem Grundriß errichteten Anbau unterbrochen, dessen Traufe auf Höhe der Fensterstürze im 2. Obergeschoß liegt. Das Walmdach schließt an die aufsteigende Wand an. Die horizontalen Putzfaschen werdenüber den Anbau, der nur in den Obergeschossen durch je zwei kleine Fenster belichtet wird, nicht fortgeführt. Links und rechts des Anbaus liegen je zwei Fensterachsen, von denen die inneren in den Giebelansatz durch zwei kleine Fenster fortgeführt werden. Die Fenster im 2. Obergeschoß nehmen an der Südseite fast quadratisches Format an bei gleichbleibender Öffnungsbreite. Durch das leicht nach Süden fallende Gelände ragt diese Seite höher aus dem Boden, so daß noch ein vergittertes Kellerfenster und eine kleine Lüftungsluke Platz finden.
Die gegenüberliegende Nordfassade ist spärlicher befenstert, auch hier fehltdie Geschoßtrennung über dem Erdgeschoß. Durch das hier höher anstehende Terrain wirkt das Erdgeschoß abgesackt. Die Schmalseite des Gebäudes ist durch ein einziges großes, querformatiges Fenster aus jüngster Zeit aufgebrochen.
Im Dachgeschoß sitzen, leicht zur Westseite verschoben, eine hoch- und zwei querformatige Öffnungen.
Durch das Nord-Süd-Gefälle ist es möglich, von außen über eine Tür in den Keller zu gelangen, allerdings über Differenzstufen. Diese liegt an der Südseite der Westfassade unter der äußersten Fensterachse.
Die Grundrißeinteilung des Schlosses ist klar und einfach. Betritt man durch den westlichen Eingang von der Ortsdurchfahrt her das Schloß, steht man in einer durchgehenden Halle mit Kreuzgewölbe. Zur linken und rechten schließen sich - ursprünglich - je vier Räume an, die durch Zwischenwände neueren Datums verunklart werden. Die Einbauten zerstören auch die schönen Gewölbe und die z. T. stuckierten Decken. Erwähnenswert ist der Speisesaal in der südlichen Schloßhälfte. Ein großer dahinter liegender Raum wurde unterteilt und nimmt heute in einer Hälfte die Hauskapelle auf, die ohne erwähnenswerte Ausstattung ist. In der nördlichen Schloßhälfte befanden sich'ehedem die Schloßküche und weitere Wirtschaftsräume. In der Eingangshalle ist an der Nordwand eine Steintafel mit Wappen aus dem Jahre 1673 angebracht, die auf die Zerstörung durch die Schweden und den Wiederaufbau durch Johann Franz von Preysing hinweist:

Dis Schloß So Ano 1633: von den Schwedischen Kriegsuolkh ist Abgebrent: vnd Ano: 1657 wider REPARIERT worde, vnd durch den hochwolgebore h: Johan Frantz von Preysing graf vnd herr der grafshafft Orth am Traunsee Freyherr auf Altepreysing, vnd herr Zu Adlzhausen vnd Weickhertzhouen z: Erbschenkh des hochfurstl : Stiftts Preysing vnd Curfürstl: Orte: In Bayrn Camerer vnd Rhat, wie auch sein gelibte Frau gmahlin Maria Eleonora Ein geborne grafin Fuggerin, Zu Kirchberg vnd weissenhorn z-gott Erhalts In Langwirigen w... Bey den gräfl: Namen Vnd stammen

Eine einläufige viertelgewendelte Treppe führt in das erste Obergeschoß. Hier liegt über dem Speisesaal der sog. "Hundt'sche Saal" mit seinem reichen Deckenstuck. Ein daran anschließender Raum zur Westseite mit ebenso reichem Deckenstuck ist von mehreren Wänden durchschnitten. Dieses Geschoß enthält die Repräsentationsräume des barocken Schlosses, es ist eindeutig als "piano nobile" zu erkennen. Eine Enfiilade-Reihung der Räume ist anhand des Grundrisses noch deutlich auszumachen.
Ein besseres Bild von der ursprünglichen Raumaufteilung bietet das zweite Obergeschoß. Die Räume sind ohne besondere Ausstattung, hier befanden sich wohl einmal die Schlafräume der Schloßbewohner.

Der Hundt'sche Saal

Der "Stucksaal" im ersten Obergeschoß südlich des Treppenhauses ist der vornehmste Raum im Schloß. Den relativ niedrigen Raum mit annähernd quadratischem Grundriß (7,54 m x 8,15 m) belichten zwei Fenster in der Westfassade. Der Übergang von den glatten, architektonisch ungegliederten Wänden zu der flachen Decke wird durch eine profilierte Leiste gebildet, eine Kehle ist nicht ausgeprägt. Um den den äußeren Rahmen bildenden Stab an der Decke rollt sich Weinlaub in gleichmäßigen Abständen. Das breite Band der Deckenstukkierung läßt einen fast quadratischen, an seinen Ecken eingezogenen Spiegel frei. Ebenfalls frei bleiben vier Rundmedaillons in den Diagonalen. Die Rahmen von Spiegel und Medaillons bestehen aus einem akanthusverzierten Wulst, begleitet von flachen, auf die Ebene des Deckengrundes führenden Profilen. Ein umlaufendes Band verschlungener Rosenranken leitet nach innen zu dem Deckenspiegel über. Je ein geflügelter Genienkopf trägt die Rundmedaillons, die von dreipaßförmigen Feldern bekrönt werden. Akanthusranken wachsen aus der Nahtstelle und rahmen den Dreipaß, wobei sich die obersten Ranken zu Voluten in dessen Scheitel drehen, aus dem über einem Akanthusblatt eine Muschelschale wächst. An die jeweils unterste Ranke angebundene Fruchtgehänge rahmen die Medaillons. Die Flächen zwischen
den zur Raummitte hin ausgerichteten Medaillonkompositionen nehmen flache Felderungen ein, die mit gegenständigen, einem Blattkelch entwachsenen Rankenmotiv gefüllt sind. Die inneren Spitzen dieses Akanthuslaubes öffnen sich
zu Blütenrosetten. Die Achsen der Decke werden durch die Bekrönung dieser Felder aufgenommen: Eine Muschelschale, gerahmt von Akanthuslaub, geht über in eine Büste mit leicht schräg geneigtem Kopf, deren Schultern Blütengehänge entwachsen.
Die Stuckdekoration der Wände beschränkt sich auf Rahmungen der beiden Türen mit einem halbrunden, von Akanthusblättern überwachsenen Stab zwischen flachen Profilen. In den Sopraporten liegen dreipaßförmige Kartuschen zwischen S-förmigen, an den Enden zu Voluten gedrehten Bögen. Schwere Früchtefestons schwingen in leichter Kurvatur zu den Rahmenecken hin aus. In den verbleibenden Zwickeln sitzen Blattrosetten. Den Scheitel der Sopraporten bekrönt ein geflügelter Genienkopf, der die Deckenleiste zu tragen scheint. Der Deckenspiegel und die Medaillons waren vermutlich für Fresken vorgesehen, vielleicht auch die dreipaßförmigen Kartuschen. Die Stuckdekoration ist ganz in Weiß gehalten. Der Wechsel zwischen flachen und rundplastischen Elementen erzeugt ein lebhaftes Licht- und Schattenspiel auf der Oberfläche, dadurch wird die plastische Wirkung noch verstärkt.

Über den Schöpfer und die zeitliche Ausführung der Stuckierung ist nichts bekannt. Die Einzelformen lassen vermuten, daß der Meister mit italienischen Stuckarbeiten vertraut war. Die Plastizität der Blüten- und Fruchtfestons, der Muschelschalen sowie der Blattstäbe steht italienischen Arbeiten der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts näher als den Stuckaturen der Wessobrunner, die seit der Wende zum 18. Jahrhundert flächenhafter werden und mehr zu Stilisierungen neigen. Das scharf gezackte Akanthuslaub geht mit seinem flachen Relief in den Grund über, auch dies bildet einen Gegensatz zu der Wessobrunner Schule, deren Akanthusornamente sich in deutlich gezeichneter Silhouette vom Reliefgrund abhebt, wie zum Beispiel im Thassilosaal des Klosters Wessobrunn von Johann Schmuzer und seinen Söhnen Joseph und Franz.
Neben dem italienischen Einfluß lassen sich auch Impulse der französischen Druckgraphik feststellen. Diese in Serie entstandenen Ornamentvorlagen haben dazu beigetragen, die Stilrichtung der Italiener zugunsten einer französischen abzulösen, die auch in den Wessobrunner Stuck mit Johann Baptist Zimmermann eingegangen ist. Die Büsten über den Muschelarehalen weisen bereits galante Züge auf, wie sie später bei Watteau in Erscheinung treten. Bei Berain und Marot bilden maskenartige Frauenköpfe häufig die Achsenpunkte symmetrischer Ornamentkompositionen, in dieser Funktion treten hier auch die Büsten auf. Verbindungen von tiedaillonrahmen, Dreipaß und Muschelschale, die aufeinander aufbauen, bringen die Grotteske mit ein. Der den Deckenspiegel umfassende Dekorationsstreifen mit Rosenranken ähnelt den Stickereibordüren, die Marots Stichwerk in vielen Varianten enthält.

Vermutlich ist die Stuckierung in Unterweikertshofen von einem Mitglied der Wessobrunner Gilde geschaffen worden, vielleicht sogar von Johann Baptist oder Dominikus Zimmermann oder deren Werkstätten. Johann Baptist Zimmermann ist 1701 als Stuckateur feststellbar.

 

Als früheste erhaltene Arbeit gilt die Wallfahrtskirche Maria Schnee bei Markt Rettenbach im Landkreis Memmingen. Sie wurde in den Jahren 1707 bis 1709 von Zimmermann stuckiert. Die Ausführung entspricht noch dem italienischen Stuck, der die architektonische Oberfläche nicht gliedert, sondern sich auf einzelne Linien beschränkt. Einzelne Elemente aus der Decke des Schlosses halten einem Vergleich mit der Stuckierung des Chores zu Rettenbach durchaus stand. Die schwerplastischen Festons mit Trauben, Mohnkapseln und heimischen Früchten, durchzogen mit Weinlaub, können durchaus eine Vorstufe der Rettenbacher sein, obwohl sie im Aufbau noch einem mehr starren Schema folgen. Das kreisförmige Fresko mit der Heiliggeisttaube im Kuppelzentrum umgibt ein Lorbeerstab mit begleitenden Profilen, der den Medaillonrahmungen sehr nahe kommt. Eine noch engere Verwandtschaft besteht zu der Rahmung des zentralen Deckenfreskos in der Marienkapelle der Kartäuserkirche Buxheim, deren Stuckierung ab 1709 Dominikus Zimmermann zugeschrieben wird. Der wulstige, mit pflanzlichem Dekor besetzte Rahmen taucht noch einmal auf in der Sixtuskirche zu Schliersee, 1712 bis 1714. Hier umwindet das Blattwerk die Gewölbegrate. Die Stuckierung in Schliersee stammt vollständig von Johann Baptist Zimmermann.

Vergleiche mit dem noch erhaltenen Frühwerk Johann Baptist Zimmermanns lassen eine zeitliche Einordnung der Unterweikertshofener Stuckdecke in die Zeit von 1700 bis 1710 zu. Das Schloß war von 1635 bis etwa 1762 in Besitz derer von Preysing, die sich vermutlich die führenden Künstler dieser Zeit auch nach Unterweikertshofen geholt haben. Dafür käme um diese Zeit Johann Schmuzer seinen Söhnen Joseph und Franz in Betracht. Für eine Ausführung durch Schmuzer scheint die Dekoration jedoch zu modern. Obwohl Einzelmotive der Druckgraphik übernommen sind, bildet die Decke ein eigenständiges Werk. einzelnen Elemente treten nicht vollplastisch hervor, sondern sind Teile mit die aus Die eines seichteren Reliefs im Zusammenhang. Diese Eigenart spricht für ein Frühwerk Zimmermanns oder eines Werkstattkollegen, der mit ihm gearbeitet hat.